Keine einfachen Urteile: Wie Hunde und Wölfe uns Menschen einschätzen
|
|
|
|
Wer
mag mich und wer nicht? Um diese Frage zu beantworten, nützen Menschen
häufig Eavesdropping, also das Belauschen oder Beobachten anderer zum
eigenen Vorteil.
Bei Hunden ist dies weniger klar. Bereits im
Jahr 2020 zog eine Forschungsarbeit1 der Vetmeduni die
Eavesdropping-Hypothese für Hunde in Zweifel. Eine nun veröffentlichte
Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung
der Vetmeduni untersuchte Hunde und Wölfe und bestätigt dieses
Ergebnis.
Wolf-Mensch-Interaktion
Der Schluss der Wissenschafter:innen: Der Prozess der Reputationsbildung könnte für Tiere komplexer sein, als bisher gedacht.
Reputation
ist ein Schlüsselfaktor in sozialen Interaktionen von Tieren, die in
Gruppen leben. Sie spielt eine wichtige Rolle beim Etablieren von
Kooperationen.
Tiere bilden sich ein Urteil von anderen
Individuen, indem sie direkt mit ihnen interagieren oder sie bei der
Interaktion mit Dritten beobachten eine Fähigkeit, die in der
Verhaltensforschung als Eavesdropping bekannt und für Menschen
selbstverständlich ist.
Bei Hunden (Canis lupus familiaris) ist
die Forschungslage allerdings nicht eindeutig. Und selbst, wenn sie zu
Eavesdropping in der Lage sind, ist nicht bekannt, ob sich diese
Fähigkeit während des Domestizierungsprozesses entwickelt hat oder ob
sie von ihrem Vorfahren, dem Wolf (Canis lupus), geerbt wurde.
Studie an Hunden und Wölfen lässt an Eavesdropping-Hypothese zweifeln
Die
nun präsentierte Studie untersuchte deshalb, ob sich Hunde oder Wölfe
durch indirektes bzw. direktes Erleben ein Urteil über eine Person
bilden können. Am Experiment nahmen neun Wölfe und sechs Hunde teil, die
im Wolf Science Center (WSC) der Vetmeduni leben. In der
Beobachtungsphase sahen die Tiere, wie zwei Menschen mit einem Hund
interagierten einer handelte großzügig und fütterte den Hund, der
andere war egoistisch und weigerte sich, den Hund zu füttern. Die Tiere
konnten nun zwischen den beiden Personen wählen. In der folgenden
Erlebnisphase interagierten die Tiere direkt mit den beiden Menschen.
Danach konnten sie wieder zwischen den beiden Personen wählen.
Insgesamt
entschieden weder Hunde noch Wölfe nach indirekter oder direkter
Erfahrung zwischen einem großzügigen oder egoistischen Menschen. Jedoch
zeigten Wölfe während der Beobachtungsphase mehr Aufmerksamkeit
gegenüber der großzügigen Person und einige Hunde und Wölfe bevorzugten
den großzügigen Menschen, nachdem sie indirekte und direkte Erfahrungen
gemacht hatten, so Erstautorin Hoi-Lam Jim vom Wolf Science Center des
Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der
Vetmeduni.
Laut Jim deutet die Studie darauf hin, dass die
Reputationsbildung für Tiere schwieriger sein könnte als bisher
angenommen, wie bereits eine 2021 veröffentlichte wissenschaftliche
Arbeit über Asiatische Elefanten (Elephas maximus) von Jim und
Kolleg:innen zeigte. Zudem unterstreicht die Studie, wie wichtig das
Studien-Design ist, um den Prozess der Reputationsbildung bei Tieren
genauer zu untersuchen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Publikation
Der Artikel
Wolves and dogs fail to form reputations of humans after indirect and direct experience in a food-giving situation von Hoi-Lam Jim, Marina Plohovich, Sarah Marshall-Pescini und Friederike Range wurde in PLOS ONE veröffentlicht.